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"Das digitale Bild"
   
         
14.04.05 - 13:02:00
   
       
   
         
spectralanalysis series, 4 • Michael Wagner
   
       
   
             
          spectralanalysis_4    



Wenn man gegenwärtig nicht nur von einer »virtuellen Kultur«, sondern auch von einer »Bildschirmkultur« spricht, sollte man eins dabei nicht vergessen: das Objekt selbst, den statischen Träger der Bildgeschwindigkeit. Denn die Konfiguration des Bildschirms und die Architektonik der Bildschirmwände stellen eine wirkliche Umwelt dar, in der das Objekt sich als eine kollektive mentale Form definiert. In diesem Zusammenhang möchte ich auf die Wortschöpfung »daO« von Chup Friemert aufmerksam machen, denn in seinem Essay »Daoismus« untersucht er ausführlich die Hardware-Konfiguration des Bildschirms bzw. das, was an die Stelle der klassischen Bilder tritt:
»Man sagt zwar leichthin, am Computer ein Bild zu sehen. Aber diese Aussage ist hauptsächlich durch die Konfiguration der Hardware suggeriert. Es liegt am Rahmen, am schmalen Rand, der die Oberfläche des Schirms umgibt. Fehlte diese Eingrenzung der Fläche, gäbe es eine Oberfläche um uns, würde also nicht nur ein Gesichtsfeld ausgefüllt, sondern ein Umfassendes dargestellt, dann würden wir nicht mehr von Bild sprechen«. Friemert hält es für notwendig, daß die so konstituierte Umgebung neu bezeichnet wird.

Die Bezeichnung Bild leitet sich in Sinn der Poesis, des Gemachten, vom besungenen, bedichteten und in der Folge vom gemalten Bild her ab. Es ist dabei gleichgültig, ob es als Höhlenbild, Zeichnung, als Radierung oder als Lithografie, als Fresko oder als Tafelbild auftritt. Eine erste Beigesellung erhielt das Bild durch seine technische Reproduzierbarkeit, durch die Selbstmalerei des Lichts, Daguerreotypie genannt. Mit dem seriellen Abzug oder Vergrößerung zog ein neuer Begriff dafür ein: Photographie. Foto nennen wir seitdem die Abzüge. Das Foto hebt das Objektive am Sichtbaren heraus und steht für die Wiederholbarkeit des Sichtbaren und damit gleichzeitig für die Unwiederholbarkeit des Gesehenen. Film ist die sequentielle Wiederholung des Sichtbaren.

Da der Bildschirm einen Rahmen hat, wird der auf dem Bildschirm erscheinende Sachverhalt leichthin als Bild bezeichnet. Der Wahrnehmende belegt die unmittelbare Alltagserfahrung unreflektiert mit einer Ähnlichkeit und sagt zur Oberflächenerscheinung »Bild«. Friemert ist mit dieser allgemeingültigen Bezeichnung nicht einverstanden:
»Was uns auf dem Computerbildschirm erscheint, das ist kein Bild, auch kein Foto, es ist die digital angeregte Oberfläche. Der Rahmen, der diese Erscheinung einfaßt, ist keine Zutat, kein Zierat, sondern die Grenze der Hardware-Konfiguration. Wir nennen diese hart begrenzte Gestalt ab jetzt digital angeregte Oberfläche – daO«.

Dieser hardwarebedingte Abstand zwischen den Kommunikationsmodalitäten (Informationszirkulation, Geschwindigkeit der Ausstrahlung von Bildern) und den Objekten selbst macht die Erscheinung des Objekts noch rätselhafter. Die von der Informatik erzeugte Uniformatierung der Objekte scheint jede Symbolik außer Kraft zu setzten. Für Friemert ist die daO sichtbar gemachte Datenprozessierung. Die auf ihr erscheinenden Figurationen sind aber nicht die Sichtbarkeit von Gleichungen, vielmehr handelt es sich bei der Repräsentanz auf der daO um einen anderen Ausdruck mathematischer Relationen, um eine Repräsentanz in einem anderen, schwächer gewordenem Symbolsystem. Diese Sichtbarkeit ist nichts anderes als Konstruktion, es handelt sich, wie Friemert sagt, um digitale Symbolmanipulationen in reiner Form, bei denen es keine Grenze gibt. Die einzige Grenze ist quantitativ und in der Rechnerleistung fixiert.

Michael Wagner, 2003.

Alle Zitate von Chup Friemert aus: Daoismus. Die Digitalisierung unterläuft den klassischen Bilderbegriff. Essay in: Form & Art 1997.






         
 
               
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