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 In der "AI" (artificial intelligence) herrscht die latente Überzeugung,
 daß die Beantwortung der Frage "Was ist der Mensch?"
 für die Schaffung künstlicher Intelligenz (nach menschlichen Maßstäben)
 oder künstlichen Bewußtseins irrelevant ist. Wichtig ist allein, wie der Mensch
 funktioniert und wie man diese Funktionen generieren kann.
 Während Searle beispielsweise glaubt, daß zu einem künstlichen Verstand
 alle die kausalen Kräfte nötig sind, die relevant sind für bewußte menschliche
 Intelligenz, glauben die "KI" (Künstliche Intelligenz) - Forscher,
 ein künstliches Gehirn könnte sich nicht-biochemischer Vorgänge für die gleichen
 Zwecke und Leistungen bedienen. Diese Hoffnung wird offensichtlich durch die
 Tatsache genährt, daß es etwa gelungen ist, mit höchstintegrierten Schaltungen
 eine künstliche Netzhaut und eine künstliche Innenohrschnecke zu bauen.
 Dabei handelt es sich nicht einfach um Simulationen, sondern um reale
 Informationsverarbeitungseinheiten, die in Echtzeit auf wirkliches Licht oder auf
 wirkliche Geräusche reagieren (vergl. Paul M. und Patricia Churchland in Spektrum
 , Akademischer Verlag, 1994, S. 161). Bei diesen Chips werden keine
 neurochemischen Stoffe benützt, und man hält es für möglich, daß sich diese
 Systeme zu einem künstlichen Gehirn erweitern lassen.
 
 In seinem Buch „Die Wiederentdeckung des Geistes“
 hat Searle mögliche Konsequenzen der fiktionalen Vorstellung, man könnte
 letztlich das gesamte Hirn nach und nach z.B. durch Siliziumchips ersetzen,
 durchgespielt (S. 85). Eine denkbare Entwicklung bestünde darin, daß man wie
 zuvor Gedanken, Erlebnisse, Erinnerungen etc. hätte, d.h. das geistige Leben
 bliebe dasselbe. Die Siliziumchips könnten also nicht nur die Input-Output-
 Funktionen eines Menschen nachvollziehen, sondern auch geistige bewußte oder
 unbewußte Phänomene duplizieren. Kurzum: Weder für die anderen (Beobachter)
 noch für mich würde sich etwas ändern. Es wäre dabei möglich die Kausalkräfte
 von Neuronen vollständig mit Silizium herzustellen.
 
 Die zweite fiktionale Möglichkeit bestünde darin, daß mit der zunehmenden
 Menge an Siliziumimplantaten im schwindenden Originalgehirn der Bereich meines
 bewußten Erlebens immer kleiner würde, ohne daß dies aber Einfluß auf mein
 äußeres Verhalten hätte. D.h. mein bewußtes Erleben würde schrumpfen, mein
 beobachtbares Verhalten jedoch gleich bleiben wie früher.
 (Ich hätte beispielsweise keinen Einfluß mehr auf meine Wahrnehmungen und
 die damit zusammenhängende Kommunikation. Ich hätte keine Empfindungen
 mehr in bezug auf meine Wahrnehmungen und Äußerungen, würde mich aber so
 verhalten wie bisher. Innerlich wäre ich tot, würde also bei gleichbleibendem
 Verhalten nach und nach mein Bewußtsein verlieren).
 Die Siliziumchips wären somit in der Lage die Input-Output-Funktionen des
 gesamten Zentralnervensystems, nicht aber das Bewußtsein aufrechtzuerhalten
 (weil es ihnen an den Kausalkräften der Neuronen ermangelt).
 
 Searle rechtfertigt diese seltsam anmutende gedankliche Möglichkeit damit,
 daß sich nach heutigem Wissensstand die Basis des Bewußtseins in bestimmten
 Bereichen des Gehirns (z.B. in der Fomatio reticularis) befindet, sodaß man
 hypothetisch annehmen kann, daß es mit diesen Hirnbereichen allmählich
 abwärtsgeht, d.h., daß das Bewußtsein allmählich erlöscht.
 
 Die dritte Variante schließlich wäre die, daß die fortschreitende Implantierung
 von Siliziumchips zwar keine Veränderung in unserem geistigen Leben nach sich
 ziehen würde, jedoch uns zunehmend unfähiger machte, Gedanken bzw. Gefühle
 in Handlungen umzusetzen.Wir besäßen das geistige Leben wie zuvor,
 die geistigen Phänomene fänden aber keinen Ausdruck in unserem Verhalten
 mehr (Tatsächlich gibt es diese Erscheinung im klinischen Bereich. Man spricht
 vom Guillain/Barré-Syndrom: "Die Patienten sind vollkommen gelähmt, zugleich
 aber vollständig bei Bewußtsein").
 
 
 Werner Hermann: "Sprachphilosophische Reflexionen zur Möglichkeit der Schaffung
 künstlicher Intelligenz", Wien 2002.
 
 
 http://sammelpunkt.philo.at
 
 
 
 
 
 
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