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"Das Theater der »Guckkastenbühne«"
   
         
01.03.05 - 16:02:54
   
       
   
         
room • Michael Wagner
   
       
   
             
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Die mit der Renaissance einsetzende Kultur der europäischen Neuzeit hat eine besondere Art fiktiver Welten geschaffen: Das, was fiktiv ist, wird mit Hilfe von Illusionstechniken so inszeniert, daß imaginäre Objekte und Ereignisse erscheinen, »als ob sie real» seien. Kulminationspunkte dieser »fiktiven Realitäten« sind die Entdeckung der Zentralperspektive, aber auch das Theater der »Guckkastenbühne«.

Sybille Krämer ist hier der Frage nachgegangen, ob eine Analogie existiert zwischen der Entdeckung und kulturellen Bedeutung der Zentralperspektive in der frühen Neuzeit und den sogenannten virtuellen Realitäten, die durch die Simulationstechniken des Computers ermöglicht werden. Krämer hat in ihrem Essay »Vom Trugbild zum Topos. Über Fiktive Realitäten.« (in: Illusion und Simulation – Begegnung mit der Realität; Hg.: S. Iglhaut, F. Rötzer, E. Schweeger; Ostfildern 1995) diese Analogie an zwei Aspekten festgemacht:

1. Sowohl die Zentralperspektive wie die virtuellen Realitäten sind eine Methode, etwas, das imaginär ist, durch den Einsatz von Illusionstechniken so erscheinen zu lassen, »als ob es real« sei. Durch Fiktionen werden dem Imaginären Realitätsprädikate verliehen.
2. In der damaligen als auch in der gegenwärtigen Version fiktiver Realitäten kristallisiert sich ein epochenspezifisches Bild von Realität. In einem bestimmten Punkt weichen diese Realitätsbilder jedoch voneinander ab. Während die Zentralperspektive suggeriert, daß real ist, was Bezug auf einen externen Betrachter hat, wird die virtuelle Realität zum Sinnbild dafür, daß der Standpunkt des externen Betrachters – wird er als absolut gesetzt – selber illusorisch ist.

Anders als in der antiken perspektivischen Darstellung, erfaßt die zentralperspektivische Raumdarstellung die Körper, wie auch die Zwischenräume in einer einheitlichen Manier. Sie repräsentiert einen stetigen, homogenen und unendlichen Raum. Solch ein Raum ist ein mathematisches Konstrukt, d.h. er gibt keinesfalls den faktischen psychologischen Raumeindruck eines Subjektes wieder.

Daß wir die planperspektivische Darstellung oft als »natürlich« und daher »richtig« qualifizieren, zeigt nur, wie sehr die zentralperspektivischen Illusionstechniken in unserer Kultur ihre toposbildende Funktion entfalten konnten. Etwas gilt genau dann »als ob es real sei«, wenn es aus der Perspektive eines externen Betrachters symbolisch konstruiert ist. Die symbolischen Techniken der Repräsentation imitieren somit illusionäre Konstellationen des menschlichen Wahrnehmungsvorganges selbst.

In vielen Jahrhunderten hat sich eine mannigfaltige Mediengeschichte entwickelt: die technische Aufzeichnung und Manipulation von Schriftzeichen, Tönen und Bildern in vielen konkreten Formen. Ende der Vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts entsteht der Computer, das erste »Meta-Medium«, mit dem sich andere Medien »simulieren« lassen. Den Begriff Meta-Medium prägte Gene Youngblood, der in den neuen Kommunikationstechnologien ein Arbeitsmittel sieht, das – durch die Möglichkeit der Simulation und der computervernetzten Kommunikation - neue Arbeitsmittel hervorbringt. In seinen Theorien entwickelt Youngblood utopische Visionen, die das kreative Potential der neuen Kommunikationstechnologien bzw. des Computers als Universalmedium/-maschine zur Weltsimulation zu erfassen versuchen.

Im Rückblick auf die Geschichte der Virtualität fasse ich kurz zusammen: Die Wahrnehmung der Wirklichkeit wird durch gesellschaftliche Sprachen bzw. Zeichencodes geformt. Wir Menschen sind Wesen der symbolischen Kommunikation, die aktiv an der Konstruktion von Bedeutungen beteiligt sind - auch wenn wir die ideologischen Rahmenbedingungen nicht kontrollieren. Wir nehmen Wirklichkeit in Modellen wahr, wir konstruieren sie mit Hilfe von Simulationen und das nicht erst seit der Entwicklung der Computertechnologie.

Michael Wagner





         
 
               
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