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"Wirklichkeit als rechnerische Künstlichkeit"
   
         
12.02.05 - 19:40:50
   
       
   
         
dropzone • Michael Wagner
   
       
   
             
         
dropzone
   


Traditionellerweise ist das Künstliche weniger real als das Natürliche.
Diese Begrifflichkeit verändert sich in der Moderne, da das Künstliche
(die Maschine) hauptsächlich dazu verwendet wird, die Natur zu beherrschen.
Wir benutzen jedoch heutzutage eine Maschine, nämlich den Computer,
nicht nur zur Steuerung oder zur Regelung, sondern auch dazu, alle mögliche
Arten von Seiendem zu simulieren. Diese Fähigkeit zur Simulation trägt mehr und
mehr zu einer neuen Bedeutung von Künstlichkeit in ihrer Beziehung zur Natur bei.
Begriffe wie virtuelle Realität, Künstliche Intelligenz und Künstliches Leben sind
Anzeichen für diesen Wandel.

Im 19. Jahrhundert vollzog Nietzsche eine Umkehrung des platonischen Schemas,
welches das Metaphysische oder Übersinnliche an die Spitze und das Physikalische
oder Sinnliche ebenso wie das Künstliche auf der untersten Ebene ansiedelte.
Nietzsche war jedoch von der Natur und der Geschichte fasziniert.
Seine Vorstellung des Künstlers als dem Schöpfer und Vermittler von immer sich
verändernden Perspektiven blieb der Vorstellung von der ewigen Wiederkehr
der Natur untergeordnet. Natur sollte sich selbst durch diese Perspektiven
manifestieren.

Heute arbeiten wir paradoxerweise unter einer anderen Art von Wiederkehr. Wir
ziehen mehr und mehr in Betracht, dass die Virtualität von Computersimulationen
das Wirkliche wäre. Und in der Tat, Realität wird zu einer möglichen Aktualisierung
errechneter Künstlichkeit.
Dies ist in gewisser Weise eine Unkehrung der aristotelischen Beziehung zwischen
dem Virtuellen ( dynamis ) und dem Aktuellen ( energeia ).
Reine Aktualität enthält keine der sinnlichen Wahrnehmung fähige Materie.
Ich denke, dass diese Umkehrung deshalb paradox ist, weil sie die vormoderne
Dominanz des Übersinnlichen wieder einführt.
Die Bedeutung von Virtualität ist jedoch heute nicht göttlicher,
sondern technischer Art.
Im Gegensatz zu Plato sind die reinen mathematischen Formen (Ideen)
nun im Herzen der techno-logischen Maschine, dem Computer, angesiedelt....


Rafael Capurro


http://www.capurro.de/kuenstlich.htm




           
 
               
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